Mary Robinette Kowal: The Calculating Stars

In „The Calculating Stars“ nimmt uns Mary Robinette Kowal mit in ein alternatives Amerika der 50er Jahre, in dem Frauen um ihren Platz im Raumfahrtprogramm der Menschheit kämpfen. Spannend, intelligent und mitreißend geschrieben!

Mary Robinette Kowal: The Calculating Stars

Titel: The Calculating Stars

Autor: Mary Robinette Kowal

Genre: Science-Fiction, historischer Roman

Verlag: Tom Doherty Associates

Seiten: 384

Erscheinungsjahr: 2018

1952 trifft ein großer Meteorit die Ostküste der USA und zerstört Washington und Umgebung. Die gesamte amerikanische Regierung fällt der Katastrophe zum Opfer, nur der Agrarminister überlebt. Es herrscht Chaos und Zerstörung. Aber die Menschheit hat noch ein viel größeres Problem: Die Mathematikerin und ehemalige Kampfpilotin Dr. Elma York findet heraus, dass der Einschlag das Klima auf dem Planeten stark verändern und ihn in rund fünfzig Jahren unbewohnbar machen wird. Nachdem sie es geschafft hat, den neuen Übergangspräsidenten von dieser Dringlichkeit zu überzeugen, bildet sich eine internationale Koalition, die eine Kolonialisierung des Mondes und der benachbarten Planeten vorantreiben will.

The Lady Astronaut

Die Geschichte begleitet die ersten Missionen der Menschheit in den Weltraum und zum Mond, nur in dieser alternativen Vergangenheit fanden sie bereits in den 50er Jahren statt. „The Calculating Stars“ beschäftigt sich aber vor allem mit Elma selbst, die die erste weibliche Astronautin werden möchte. Sie und ihre Kolleginnen, die alle Flugbahnen von Hand berechnen, sind die titelgebenden „Stars“ des Romans.

Elma war für mich von Anfang an eine sympathische Hauptfigur. Nach wie vor gibt es einfach weniger Protagonistinnen, die ein Interesse an Mathematik oder einen technischen Beruf haben. Bei Elma als Pilotin und promovierter Mathematikerin ist das anders. Ich habe in einigen Rezensionen gelesen, dass einige Leser*innen sie deswegen als zu perfekt empfunden haben, aber diesen Eindruck teile ich nicht. Elma hat deutliche Schwächen, wie zum Beispiel ihre Angst, vor anderen zu sprechen oder im Allgemeinen in der Öffentlichkeit zu stehen. Als sie in einer Fernsehshow für Kinder als „Lady Astronaut“ auftreten soll, muss sie diese Ängste überwinden. Dies stellt einen der Hauptkonflikte in „The Calculating Stars“ dar.

Historisch und trotzdem aktuell

Das Szenario des Romans hat mich von Anfang an fasziniert: Was wäre, wenn wir durch ein äußeres Ereignis gezwungen wären, viel mehr Geld für die Raumfahrt auszugeben? Was, wenn viel mehr Staaten intensiver in den Raumfahrtprogrammen zusammenarbeiten würden? In „The Calculating Stars“ führt ein Meteoriteneinschlag kurz nach Ende des zweiten Weltkriegs zu dieser Situation. Trotz der dringenden Notwendigkeit, den Planeten zu verlassen, werden das Raumfahrtprogramm und seine Kosten aber auch immer wieder kritisiert. Darin finden sich viele Parallelen zu heutigen Debatten in der Klimapolitik.

Im Gegensatz zu vielen anderen historischen Romanen schafft es „The Calculating Stars“ außerdem, mit problematischen Themen wie der Rassentrennung in den Vereinigten Staaten umzugehen. Aus unserer heutigen Sicht erscheint diese absurd, weshalb viele Autor*innen die Einstellung der Leser*innen gerne auf die Protagonistin übertragen. Das passt aber oft schlecht in den historischen Kontext. Diesen Konflikt hat Mary Robinette Kowal aus meiner Sicht gut gelöst: Neben dem Kampf der Frauen für Gleichberechtigung als Astronautinnen geht sie auch auf die Women of Color ein, die es noch einmal deutlich schwerer haben. Elma selbst als weiße jüdische Frau übersieht diese Frauen anfangs und macht Fehler im Umgang mit ihnen, lernt aber im Laufe der Zeit dazu.

Unbedingte Leseempfehlung

Ich habe „The Calculating Stars“ im Urlaub gelesen und war begeistert. Die Geschichte hat mich schnell in ihren Bann gezogen und bis zur letzten Seite nicht mehr losgelassen. Danach habe ich sofort nachgeschaut, ob es weitere Bände der Reihe gibt. Darauf hatte ich vorher gar nicht geachtet. Und zu meiner Freude gibt es noch so einiges: „The Fated Sky“, die direkte Fortsetzung spielt im Jahr 1961 und ist ebenfalls letztes Jahr erschienen. Mary Robinette Kowal hatte die beiden Bücher ursprünglich als eines geschrieben und dann noch einmal getrennt. Außerdem gibt es noch „The Lady Astronaut of Mars“ von 2012, das sich mit der Besiedelung des roten Planeten beschäftigt. „The Calculating Stars“ ist sozusagen das Prequel dazu – und jede Menge weiterer Kurzgeschichten spielen ebenfalls im gleichen Universum.

Mir hat das Buch großen Spaß gemacht und ich werde mir schon bald den zweiten Teil vornehmen. Leider ist meines Wissens nach keines der Bücher bisher auf Deutsch erschienen. Wer ab und zu etwas auf Englisch liest, sollte mit dem Titel allerdings keine Probleme haben. Die Sprache ist durch das technische Thema nicht völlig simpel, aber trotzdem gut zu verstehen.

Dieses Buch habe ich unter anderem ausgesucht, weil ich mehr Science-Fiction von Frauen lesen und rezensieren möchte. Hier gibt es ein paar Hintergrundinfos dazu.